Cyber-Physische Systeme, abgekürzt CPS, gelten als technologische Grundlage für die Industrie 4.0. Dabei werden, ganz einfach und allgemein gesagt, physische Objekte und Prozesse mit virtuellen Objekten und Prozessen über Informationsnetze verknüpft.
Im Netz bestehen zahlreiche Begriffserklärungen, jedoch keine allgemein anerkannte Definition.
Cyber-Physische Systeme stehen am Beginn ihrer Entwicklung und bieten eine ganz neue Qualität des Engineerings. Die Einsatzgebiete und Möglichkeiten sind enorm. Um diese jedoch auszureizen, steht der Maschinenbau noch vor großen Herausforderungen.
Was genau sind Cyber-Physische Systeme?
Der VDI beschreibt CPS folgendermaßen:
Cyber-Physische Systeme (CPS) sind gekennzeichnet durch eine Verknüpfung von realen (physischen) Objekten und Prozessen mit informationsverarbeitenden (virtuellen) Objekten und Prozessen über offene, teilweise globale und jederzeit miteinander verbundene Informationsnetze.
Diese Begriffserklärung geht hervor aus der Forschungsagenda Cyber-Physical Systems der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften.
Schon in der dritten industriellen Revolution, der Zeit der Automatisierung, war und ist es üblich, dass informationsverarbeitende Komponenten mit physischen Objekten und Prozessen gekoppelt sind. Was jedoch bei den CPS anders ist, wird im Satzteil “…über offene, teilweise globale und jederzeit miteinander verbundene Informationsnetze.” erklärt. Damit ist gemeint, die Vernetzung der physischen und virtuellen Objekte und Prozesse über das Internet geschieht.
Physische Objekte und Prozesse bestehen aus eingebetteter Systeme (embedded systems), die man sich wie kleine Computer vorstellen kann, die in einem technischen Kontext eingebunden sind. Die virtuellen Objekte und Prozesse hingegen sind Daten, Informationen und Dienste, die über das Informationsnetz bereit gestellt werden.
Cyber-Physische Systeme besitzen einen hohen Grad an Komplexität. Durch die intelligente Systeme können CPS-Komponenten sich sehr schnell und effizient an geänderte Anforderungen oder Umgebungsbedingungen anpassen.
Einsatzgebiete von Cyber-Physischen Systemen
- Smart-Grids
dies sind dezentrale Einheiten zur Erzeugung und Verteilung von Energie. Mit Hilfe der Informationstechnologie entstehen Energienetze, die Versorger bedarfsgerecht und kosten- sowie energieeffizient mit Strom versorgen. - Car-to-X Communication
Dabei handelt es sich um die Vernetzung von Fahrzeugen untereinander bzw. mit der Verkehrsinfrastruktur über Informationsnetze. Hierbei kann dem Fahrer frühzeitig kritische und gefährliche Situationen angezeigt werden, sodass dieser reagieren kann. Des Weiteren kann auch direkt das Bremssystem angesprochen werden, das das Auto unmittelbar zum Stillstand bringt. - e-Health-Systeme
Hierbei handelt es sich um elektronische Geräte zur medizinischen Versorgung oder Fernüberwachung über das Internet. - Produkt- und Produktionssysteme
Produkt- und Produktionssysteme sind über die System-/ Komponenten-/ Anlagen-/ Fabrik- und Firmengrenzen hinaus miteinander vernetzt. D.h., Rohlinge kommunizieren mit Produktionsanlagen und teilen diesen mit, wie sie bearbeitet werden wollen (RFID Chips = radio-frequency identification).
Das folgende Video zeigt, wie man sich Cyber-Physische Systeme in der Produktion vorstellen kann. Darin wird die individuelle Produktion von unterschiedlichen Seifen dargestellt, die durch einzelne Produktionsmodule entsteht, welche miteinander drahtlos kommunizieren.
http://www.youtube.com/watch?v=uqOYiKLIA18
Die Automatisierungspyramide wird schrittweise aufgelöst
In der Automatisierungspyramide sind die verschiedenen Ebenen in der industriellen Fertigung dargestellt. Dabei unterscheidet man zwischen der
- Unternehmensebene,
- Betriebsleitebene,
- Prozessleitebene,
- Stuerungsebene und
- Feldebene (Ein-/Ausgabeebene – Sensor-/ Aktorebene).
Durch Cyber-Physische Systeme wird die Automatisierungspyramide durch die vernetzten und dezentralen Systeme schrittweise aufgelöst. Die einzelnen Ebenen existieren somit nicht mehr. Es bildet sich eine Automatisierungscloud, in der Hardwarekomponenten, Dienste und Daten miteinander kommunizieren und sich teilweise selbst organisieren.
Wie verändert sich die Produktion?
- Produkte kommunizieren mit den Anlagen, die es produziert
- Informationsaustausch mit allen erforderlichen Teilnehmern der Wertschöpfungskette
- Daten werden durchgehend und detaillierter ermittelt und verarbeitet
- Daten und Informationen sind immer verfügbar (Automatisierungscloud)
- kontextabhängige Entscheidungen möglich – Produktion kann auf veränderte Bedingungen reagieren
- große Anlagen werden auf kleinere Module aufgeteilt
- einzelne Module können flexibel erweitert oder ausgetauscht werden (Plug & Produce)
- Komponenten und Anlagen besitzen eine Selbstdiagnose und leiten entsprechend Schritte ein (weniger Maschinenstandzeiten, Verschleiß und Ausschuss)
- Aufträge mit der Stückzahl 1 lohnen sich durch die Kosten- und Ressourcenoptimierung
Bei allen Vorteilen und Veränderungen, die die Produktion betrifft, darf jedoch nicht der Mensch vergessen werden. Dieser steht im Mittelpunkt von Cyber-Physischen Systemen. Es müssen ganz neue Mensch-Maschine-Schnittstellen entwickelt werden. Durch die hohe Komplexität der Systeme müssen die hier tätigen Menschen entsprechend geschult werden.
Missbrauch kann überall dort stattfinden, wo Dinge und Dienste mit dem weltweiten Internet in Verbindung stehen – Internet der Dinge und Dienste. Das Thema Safety (funktionale Sicherheit) und Security (Daten-, Informations- und Kommunikationssicherheit) stehen deshalb ganz oben, wenn es um die Umsetzung von CPS geht.
Durch die enorme Veränderung der Produktion werden auch ganz neue Dienstleistungen und Berufsbilder entstehen.