Anforderungsliste/ Lastenheft

Die Anforderungsliste (auch Lastenheft genannt) ist die Grundlage jeder Konstruktion und Produktentwicklung. Hier werden alle relevanten Daten geordnet in einer Zusammenstellung nieder geschrieben. Die Liste ist dynamisch, d.h. sie wird ständig verändert oder ergänzt. Es ist darauf zu achten, dass die Anforderungen in Forderungen und Wünsche möglichst positiv, präzise und lösungsneutral formuliert werden.

Forderungen müssen unter allen Umständen erfüllt werden, wobei zwischen Festanforderungen, Mindestanforderung und Zielanforderungen unterschieden wird. Wünsche hingegen sollen nach Möglichkeit berücksichtigt werden, müssen jedoch nicht zwangsgebunden erfüllt werden.

Anforderungsliste (Lastenheft) - Grundlage jeder Konstruktion und Produktentwicklung
Anforderungsliste (Lastenheft) – Erstellung mit Hilfe einer Merkmalliste

Merkmale einer Anforderungsliste

Eine Merkmalliste ist die beste Hilfestellung, um eine Anforderungsliste zu erstellen. Das Abarbeiten bzw. Durchlesen der einzelnen Merkmale und der dazugehörigen Beispielen gewährleistet, dass nichts Wesentliches vergessen wird.

HauptmerkmalBeispiele
GeometrieAbmessungen (Höhe, Länge, Breite, Durchmesser), Fläche, Volumen, Anschlussmaße, Anzahl
GewichtMaximalgewicht, Minimalgewicht, Leichtbauweise
KinematikBewegungsart und -richtung, Beschleunigung, Verzögerung, Geschwindigkeit, Drehzahl
Beanspruchungenmechanische, thermische, chemische, biologische, klimatische, akustische, elektrische bzw. elektronische, elektromagnetische Belastungen
Kräfte und MomenteKraftart (Scherkraft, Zugkraft, Torsionskraft usw.), Momentart (Drehmoment, Impulsmoment bzw. Drehimpuls), Größe, Richtung, Häufigkeit und Frequenz, Impuls, Dämpfung, Vibration, Resonanzen, Stöße, elastische und plastische Verformung, Steifigkeit, Stabilität
EnergieEnergieart (Anschlussenergie, Verlustenergie, usw.), Leistung, Wirkungsgrad, Verluste, Speicherung, Umformung, Erwärmung, Kühlung, thermodynamische Zustandsgrößen (Druck, Temperatur, Volumen, usw.)
Werkstoffe/ HilfsstoffePhysikalische Eigenschaften der Stoffe, vorgegebene Werkstoffe, Hilfsstoffe
ErgonomieBedienungsart, Bedienbarkeit, Handhabbarkeit, intuitive Bedienungsanleitung, Formgestaltung, Beanspruchung der Bedienperson, Kraftaufwand, Beleuchtung, Klimatische Gegebenheiten, individuelle Anpassungsmöglichkeiten
NutzungEinsatzort, Einsatzzeit, Nutzungsdauer, Nutzungshäufigkeit, Einschaltdauer, Zuverlässigkeit, Austauschbarkeit, Verschleiß
Sicherheit/ SchutzmaßnahmenGesetze, besondere Vorschriften (TÜV, DIN, ISO, usw.), Arbeitsschutz, Unfallverhütung, Umweltschutz, Schutzsysteme, Funktionssicherheit, Standsicherheit, Überlastsicherung, Explosionsschutz, Störanfälligkeit
FertigungFertigungsverfahren, Fertigungsmittel, Vorrichtungen, Werkzeuge, Prüfmittel, Normteile, Katalogteile, Qualität, Toleranzen, Fertigungsabmaße
Montage/ DemontageVorschriften, Art der Montage (manuelle Montage, automatisierte Montage - Robotermontage, Hallenmontage, Baustellenmontage), Baugruppen
InstandhaltungWartung, Inspektion, Instandsetzung – Zeitintervalle, Verschleißteile, Austausch, Ersatzteile
KontrolleMess- und Prüfmöglichkeiten, Vorschriften, Art der Abfrage, Diagnosen, Anzeigen, Fehlerprotokolle
KommunikationForm und Art der Signalanzeige, Datenschnittstellen, Internetverbindung, Kommunikationsprotokolle (Software, Hardware), Eingangs- und Ausgangssignale, Überwachungsfunktionen, Datenschutz, Schutz vor unberechtigtem Datenzugriff - von innen und außen, Firewall
TransportTransportwege (max. Breite, Höhe, Gewicht), Begrenzung durch Hebezeuge und Fahrzeuge (Kran, Gabelstapler, Fahrzeug des Endkunden), Stapelfähigkeit, Transporthilfen wie z.B. Lastösen
Nachhaltigkeitökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig, soziale Fairness in der kompletten Wertschöpfungskette, ressourcenschonende Herstellung, Einsatz von regenerativen Energiequellen, lange Produktlebensdauer, einfache Reperatur, Austauschbarkeit, Erweiterungsfähigkeit, Recyclingfähigkeit
RecyclingWiederverwertung, Weiterverwertung, Entsorgung, Beseitigung, sortenreine Trennung
Kostenzulässige Herstellkosten, Entwicklungs- und Konstruktionskosten, Kosten für Werkzeuge und andere Fertigungsmittel, Amortisation, Rendite - Return on Investment (RoI)
TermineEnde der Entwicklung/ Konstruktion, Netzplan, Meilensteine, Liefertermin, Lieferzeiten, Abgabe des Prototyps, Serienbeginn

Erstellen einer Anforderungsliste

Für die Erstellung der Anforderungsliste, das Sammeln der Anforderungen, die Ordnung derer sowie für die Dokumentation und Organisation sind folgende Dokumente hilfreich. Über die Links können sie heruntergeladen und kostenlos verwendet werden.

WasBeschreibungDownload
MerkmallisteEine Liste als Hilfestellung, wie oben aufgeführt, mit Hauptmerkmal und anschaulichen Beispielen.PDF
Vorlage (Excel)In der Excel-Vorlage können alle wichtigen Angaben zum Projekt in Kopf- und Fußzeile gemacht werden. Die Tabelle selbst ist vorformatiert, teilweise sogar automatisiert und muss nur noch ausgefüllt werden. XLSX
Vorlage (handschriftlich)Zum Ausdrucken und Ausfüllen. Diese handschriftliche Vorlage orientiert sich in ihrer Form an der Excel-Vorlage.PDF

Wie ich die Excel-Vorlage genau verwende, zeige ich Dir in einem konkreten Beispiel für eine Anforderungsliste. Dort erkläre ich meine Vorgehensweise für das Ausfüllen der Tabelle. Dabei habe ich mich an den hier genannten Schritten orientiert.

Anforderungen sammeln

Die qualitativen und quantitativen Anforderungen stammen zum größten Teil aus dem Pflichtenheft, welches mit dem Kunden bzw. Auftraggeber vertraglich festgelegt wurde. Darüber hinaus werden aber auch gesetzliche und betriebsinterne Vorgaben in die Liste aufgenommen.

Die Erstellung der Anforderungsliste wird im besten Fall mit einem interdisziplinären Team erarbeitet. Hierzu zählen neben dem Konstrukteur auch betroffene Personen aus der Fertigung, dem Einkauf und Verkauf, Servicemitarbeiter, ggf. Fachspezialisten sowie der Auftraggeber selbst. Somit kann auf einen breiten Pool an Information und Wissen zurückgegriffen werden. Eine Marktanalyse bietet sich ebenfalls an. Um nichts Wesentliches zu vergessen, sollte mit einer Merkmalliste (wie oben) als Hilfsmittel gearbeitet werden. Eine Systembetrachtung dient ebenfalls als Hilfestellung.

Quellen sind also:

  • Kunde/ Auftraggeber
  • Markt
  • betriebsinterne Vorgaben
  • externe Vorgaben

Werden die Anforderungen durch das Team eindeutig formuliert und in einer betriebsintern vereinbarten Form niedergeschrieben, kann es anschließend zu keinen Missverständnissen kommen. Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, eignen sich auch zusätzliche Informationen im Anhang der Anforderungsliste (Quellen, ausführliche Erläuterungen, Skizzen oder Grafiken, Normen, usw.).

Bei der Formulierung sollten folgende Regeln beachtet werden:

  • positiv (folgende Wörter nicht verwenden: un-…, nicht, keine, weniger als, mehr als; sich die Frage stellen, was erreicht werden soll)
  • präzise (nicht Stückzahl “ungefähr” sondern = 200 Stück/ Jahr)
  • lösungsneutral (d.h., mögliche Lösungen sollen von vornherein nicht ausgeschlossen oder vorgegeben sein)
  • möglichst quantifiziert

Qualitative Anforderungen sind nicht mess- oder prüfbare Produktmerkmale. Sie werden meist in Worten beschrieben, z.B. ästhetisch, sportliches Design, kantig, Farbe, usw. Durch die Befragung von Testpersonen lassen sich jedoch auch qualitative Merkmale quantifizieren.

Quantitative Anforderungen lassen sich in in Form von Zahlenwerten plus Einheit formulieren. Hierzu eignen sich Gleichungen (z.B. Betriebsdruck = 3 bar) und Ungleichungen (z.B. Geräuschemission < 65 dB(A)).

Anforderungen ordnen

Sind die Anforderungen gesammelt, sollten sie sinnvoll geordnet werden. Die Gliederung kann dabei z.B. nach der Anforderungsart (wie oben in der Merkmalliste) oder den Lebenszyklusphasen des Produkts erfolgen:

  • physikalisch-technische Funktion
  • Technologie – Herstellung und Montage
  • Wirtschaftlichkeit
  • Mensch-Produkt-Beziehungen
  • Vertrieb und Transport
  • Gebrauch, Wartung und Instandhaltung
  • Recycling

Dabei erhalten die einzelnen Anforderungen laufende Nummern und werden nach ihrer Wichtigkeit sortiert. Außerdem werden Verantwortlichkeiten in Form von Namenskürzeln festgelegt.

Um später eine Bewertung von erarbeiteten Lösunsgvarianten vornehmen zu können, müssen die Anforderungen in drei Gruppen unterschieden werden:

  • Festforderungen (F) – müssen unter allen Umständen erfüllt werden
  • Mindestforderungen (M) bzw. Ziele (Z) – enthalten Sollwertangaben mit Toleranzbereich und Aussagen bzgl. Mindest- bzw. Idealerfüllung
  • Wünsche (W) – sollen berücksichtigt, müssen aber nicht zwangsläufig erfüllt werden

Anforderungen ändern oder ergänzen

Ist die Anforderungsliste genehmigt, müssen Änderungen oder Erweiterungen verständlich und nachvollziehbar dokumentiert werden. Außerdem muss gewährleistet sein, dass alle Projektbeteiligten immer Zugang zur aktuellsten Version bekommen.

Es gibt Versionsverwaltungssysteme, die die Versionierung der Dokumente automatisch vornehmen. Sobald also eine Änderung vorgenommen wurde, wird eine neue Version angelegt und sichergestellt, dass beim Wiederöffnen des Dokuments immer auf die aktuellste Version zurückgegriffen wird.

Die Versionsverwaltung kann jedoch auch manuell erfolgen. Hierfür muss nur eine passende Dateibenennung festgelegt werden. In meinem Beispiel für eine Anforderungsliste habe ich den Dateinamen dreigeteilt – AL-DIY-Solardusche_20191001.xlsx.

  1. AL = steht für Anforderungsliste
  2. DIY-Solardusche = Projektname
  3. _20191001 = Datum, welches bei neuer Version geändert wird

Durch die Änderung des Datums (in Form von YYYYMMDD) sehe ich in der Dateiverwaltung mit der Sortierung nach Name immer die aktuellste Version des Dokuments.

Versionsverwaltung – Versionierung einer Anforderungsliste
Versionsverwaltung – Versionierung einer Anforderungsliste

Für eine ordentliche Versionsverwaltung muss in der Excel-Vorlage (Download siehe oben) dann nur noch die aktuelle und letzte Version angegeben werden.

Versionsverwaltung - Dokumentation der Versionen in der Excel-Vorlage
Versionsverwaltung – Dokumentation der Versionen in der Excel-Vorlage

Nächste Schritte

Nach der Erstellung der Anforderungsliste geht es in die kreative Phase über. In dieser, der Konzeptphase, werden prinzipiell mehrere Lösungen erarbeitet und zuletzt eine bestimmte festgelegt. Dabei wird zwischen einer Ideenfindungs- und einer Bewertungsphase (Grobbewertung, Feinbewertung, Nutzwertanalyse) unterschieden.

Bei der Bewertung möglicher Lösungsvarianten wird die Anforderungsliste wieder gebraucht. Hier wird mit den Forderungen und Wünschen verglichen.

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